Jeder Gamer kennt dieses Gefühl, die wehmütige Erinnerung an ein Spiel, das vor Jahren oder sogar Jahrzehnten unzählige Stunden gefesselt hat. Die Grafik war damals vielleicht kantig und die Steuerung hakelig, doch die Faszination war echt. Was aber passiert, wenn Entwickler diese alten Hits nehmen und sie mit heutiger Technologie von Grund auf neu erschaffen?
Das Ergebnis sind Remakes – und wenn sie gut gemacht sind, können sie die Magie des Originals für eine völlig neue Generation einfangen. Doch dieser Prozess ist eine Gratwanderung. Zu viele Änderungen verärgern die treuen Fans, zu wenige fühlen sich wie eine überteuerte Modernisierung an. Die besten Remakes meistern diesen Spagat und zeigen, wie man die Vergangenheit adaptiert, ohne eine moderne Kopie zu werden.
Mehr als nur ein neuer Anstrich: Was ein Remake ausmacht
Zunächst ist eine klare Abgrenzung wichtig, denn die Begriffe werden oft verwechselt.
- Remaster: Hier wird das ursprüngliche Spiel technisch aufpoliert. Die Auflösung wird erhöht, die Bildrate verbessert und Texturen werden schärfer gemacht. Das Grundgerüst, also der Code und das Gameplay, bleiben aber identisch. Ein gutes Beispiel ist Dark Souls: Remastered.
- Remake: Das ist die Königsdisziplin. Ein Remake wird von Grund auf neu entwickelt. Es nutzt eine moderne Engine, oft werden Gameplay-Mechaniken überarbeitet, die Grafik komplett neu erstellt und manchmal sogar die Geschichte erweitert. Das Ziel ist, die Vision des Originals mit den Mitteln der Gegenwart umzusetzen.
- Reboot: Hier wird eine Marke komplett neu gedacht. Die Entwickler nehmen nur die Kernidee oder die Charaktere und bauen darum ein völlig neues Spiel. Das Tomb Raider von 2013 ist ein klassischer Reboot der Serie.
Die Meisterwerke der Neuinterpretation
Einige Remakes haben in den letzten Jahren eindrucksvoll gezeigt, wie es richtig geht. Sie sind nicht nur Kopien, sondern eigenständige, herausragende Spiele.
Resident Evil 2 (2019)
Das Original von 1998 wurde zum Klassiker des Survival-Horrors, litt aber unter seiner starren Panzersteuerung und den fixen Kamerawinkeln. Capcom warf für das Remake beides über Bord. Stattdessen bekam das Spiel eine moderne Third-Person-Perspektive, die eine viel direktere und intensivere Horror-Atmosphäre schafft.
Jeder Gang im Polizeirevier von Raccoon City ist erfüllt von einer spürbaren Anspannung, nicht zuletzt dank des unaufhaltsamen Tyrant, der den Spieler unerbittlich jagt. Das Remake bewahrt den Geist des Originals – das Rätseldesign, die knappen Ressourcen – modernisiert aber genau die Elemente, die heute nicht mehr funktionieren würden.
Demon’s Souls (2020)
Das Studio Bluepoint Games gilt als Spezialist für exzellente Neuauflagen, und mit Demon’s Souls lieferten sie ihr Meisterstück ab. Das PlayStation-3-Original von 2009 war der Vorläufer der gefeierten “Souls”-Reihe, aber technisch veraltet. Das Remake für die PlayStation 5 ist eine audiovisuelle Demonstration dessen, was moderne Hardware leisten kann.
Die Lichteffekte, die Soundkulisse und die Detailverliebtheit der Architektur sind atemberaubend. Das Entscheidende: Das knallharte, aber faire Gameplay des Originals wurde unangetastet gelassen. Bluepoint verstand, dass der Kern des Spiels perfekt war und nur eine zeitgemäße Präsentation benötigte.
Final Fantasy VII Remake (2020)
Square Enix wählte den mutigsten Ansatz. Statt das Original von 1997 einfach nur in 3D nachzubauen, interpretierten sie es neu und erweiterten es massiv. Das rundenbasierte Kampfsystem wurde durch ein dynamisches Echtzeit-System ersetzt, das taktische Tiefe beibehält. Charaktere, die im Original nur Nebenfiguren waren, bekamen eigene Handlungsstränge und mehr Persönlichkeit.
Der größte Schritt war jedoch die Entscheidung, die Geschichte des Videospiels nur bis zum Verlassen der Stadt Midgar zu erzählen und sie auf mehrere Spiele aufzuteilen. Das polarisierte zwar einige Fans, gab der Erzählung aber einen Raum und eine Tiefe, die dem Original verwehrt blieb.
Das Rezept für eine gelungene Neuauflage
Was machen diese Spiele richtig? Es lassen sich drei Kernprinzipien erkennen:
- Respekt vor der Vorlage: Die Entwickler müssen verstehen, was das Original so besonders gemacht hat. Die Atmosphäre, die ikonischen Momente und der emotionale Kern müssen erhalten bleiben.
- Sinnvolle Modernisierung: Veraltete Spielmechaniken, umständliche Menüs oder frustrierende Passagen (“Quality of Life”) müssen konsequent verbessert werden. Niemand vermisst heute eine unpräzise Steuerung.
- Technische Brillanz: Ein Remake muss sich wie ein modernes Spiel anfühlen und aussehen. Es soll die Möglichkeiten aktueller Technik nutzen, um die ursprüngliche Vision besser denn je zu realisieren.
Remakes sind keine Kopien, sondern Übersetzungen. Sie übersetzen ein starkes Spielkonzept aus einer veralteten technologischen Sprache in eine, die heutige Spieler bedienen können. Dadurch wird Spielegeschichte nicht nur konserviert, sondern aktiv spielbar gehalten. Oft wird das Remake damit zur neuen Standardversion, die das Original für die meisten Spieler praktisch ersetzt.